Verwaltungsgericht Kassel

Polizeiliche Maßnahmen gegen Teilnehmer einer Sitzblockade

Die polizeilichen Maßnahmen gegen Teilnehmer einer Sitzblockade bei Demonstration im Juli 2019 in Kassel waren rechtmäßig.

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Nr. 4/2022

Die für das Versammlungsrecht zuständige 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Kassel hat gestern zwei Klagen gegen polizeiliche Maßnahmen in Verbindung mit der Räumung einer Sitzblockade abgewiesen und die Maßnahmen für rechtmäßig erklärt.

Am 20. Juli 2019 fand in Kassel ein angemeldeter Aufzug der Partei „Die Rechte“ unter dem Motto „Gegen Pressehetze, Verleumdung und Maulkorbphantasien“ statt, dessen Wegstrecke durch Polizeibeamte gesichert wurde. Die Kläger setzten sich in der Hafenstraße mit ineinander verhakten Beinen und Armen auf die Straße, um so den herannahenden Aufzug der Demonstration zum Stehen zu bringen. Die vor Ort anwesenden Polizeibeamten lösten die Sitzblockade auf; ein Polizeibeamter setzte Pfefferspray ein. Mit ihren gegen das Land Hessen gerichteten Klagen wenden sich die Kläger gegen die an sie adressierten polizeilichen Maßnahmen und begehren die Feststellung deren Rechtswidrigkeit.

Das Gericht hat mit Urteilen vom gestrigen Tage die Klagen abgewiesen und die polizeilichen Maßnahmen für rechtmäßig erklärt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen aus-geführt, dass die Sitzblockade, an der die Kläger teilgenommen haben, ihrerseits nicht vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz umfasst seien. Die Sitzblockade habe das primäre Ziel verfolgt, den – seitens der Kläger – politisch missbilligten Aufzug zu stören und den Fortgang zu verhindern. Elemente der Meinungskundgebung seien – wenn überhaupt vorhanden – nur von untergeordneter Bedeutung gewesen. Eine Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes komme daher nicht in Betracht. Auf der Basis polizeirechtlicher Vorgaben erwiesen sich die angegriffenen Maßnahmen insgesamt als recht- und auch verhältnismäßig.

Zu beachten sei die hohe Bedeutung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Vorgaben, namentlich die Versammlungsfreiheit der angemeldeten Demonstration, welche unabhängig der dahinterstehenden Meinungen und Ziele zu beachten sei, soweit eine Versammlung nicht verboten wurde.

Das Gericht sah die einzelnen polizeilichen Maßnahmen, u. a. das Herauslösen der Kläger aus der Sitzblockade und die Anwendung körperlicher Gewalt, im Ergebnis als recht- und verhältnismäßig an. Dies gelte auch für den Einsatz von Pfefferspray, der sich noch als verhältnismäßig erweise. Zwar sei der Einsatz sehr schnell nach der Androhung erfolgt, so dass für die Kläger kaum eine Chance bestanden habe den Platz zu räumen. Auf der Basis der ausgewerteten Videoaufnahmen und der Zeugenaussagen sei der Einsatz gleichwohl noch verhältnismäßig, weil der das Pfefferspray einsetzende Polizeibeamte davon habe ausgehen dürfen, dass die Sitzblockade keinesfalls freiwillig geräumt werde. Zur Verhinderung eines Aufeinanderprallens der Teilnehmer der Sitzblockade mit den Demonstranten, habe – im Hinblick auf die emotional angespannte Gesamtsituation – Pfefferspray eingesetzt werden dürfen. Das Gericht habe dabei auch berücksichtigt, dass der Einsatz von Pfefferspray regelmäßig nur zu temporären, wenn auch nicht unerheblichen Beeinträchtigungen führe.

Gegen das Urteil ist ein Antrag auf Zulassung der Berufung möglich, der binnen eines Monats gestellt werden kann.

Aktenzeichen: 6 K 1915/19.KS sowie 6 K 1919/19.KS

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