Nr. 10/2021
Das Verwaltungsgericht Kassel hat mit Beschluss vom heutigen Tag den Eilantrag der Anmelderin der Versammlung und des Aufzuges „Für Frieden, Freiheit, Menschenrechte und für eine geschlossene Gesellschaft“ gegen eine Verbotsverfügung der Stadt Kassel abgelehnt.
Die Versammlung mit ca. 3.000 Teilnehmern soll auf dem Rainer-Dierichs-Platz vor dem Hauptbahnhof in Kassel stattfinden. Ein Aufzug über die Kurfürstenstraße, Ständeplatz, Friedrich-Ebert-Straße, Querallee, Wilhelmshöher Allee, Fünffensterstraße, zurück zum Hauptbahnhof soll sich anschließen. Die Stadt Kassel verbot die Versammlung und den Aufzug mit Bescheid vom 20. Juli 2021. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und stellte einen Eilantrag. Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts lehnte diesen ab.
Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, die Antragsgegnerin habe eine hinreichend tragfähige Gefahrenprognose getroffen. Sie führe nicht nur auf Basis bloßer Vermutungen, sondern auf der Grundlage ausreichender Erkenntnisse zu Recht an, dass die Antragstellerin und die zu erwartenden Teilnehmer der sog. Querdenker-Bewegung angehörten. Die Antragsgegnerin stütze sich hierbei insbesondere auf eine umfangreiche Gefährdungslagenbewertung des Polizeipräsidiums Nordhessen und die Erfahrung mit vergleichbaren – teilweise verbotenen – Veranstaltungen am 20. März 2021, insbesondere im Zusammenhang mit Auflagenverstößen.
Die Kammer habe dabei durchaus in den Blick genommen, dass das Infektionsgeschehen weiter deutlich zurückgegangen ist. Deshalb sei ein Versammlungsverbot allein unter Hinweis auf die Infektionslage nicht gerechtfertigt. Vielmehr kämen grundsätzlich mildere Maßnahmen, wie z. B. Auflagen zur Einhaltung des Mindestabstandes und zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen, in Betracht. Das Robert Koch-Institut gehe aktuell weiterhin von einer hohen Gefährdung für die Gesundheit der nicht oder nur einmal geimpften Bevölkerung in Deutschland insgesamt und von einer moderaten Gefährdung für vollständig Geimpfte aus. Auch der Deutsche Bundestag schätze die Situation weiterhin als problematisch ein, was dadurch dokumentiert werde, dass mit Beschluss vom 11. Juni 2021 das Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite festgestellt worden sei. Hier bieten die Antragstellerin und die zu erwartenden Versammlungsteilnehmer aber keine Gewähr dafür, dass entsprechende Auflagen, welche der Verringerung des Infektionsrisikos dienten, tatsächlich umgesetzt und eingehalten würden. Offen gelassen hat das Gericht dabei, ob eine Auflage zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Freien weiterhin verhältnismäßig ist. Jedenfalls sei der Mindestabstand einzuhalten, was aber durch den Teilnehmerkreis der Versammlung ebenfalls nicht sichergestellt sei. Soweit die Antragstellerin moniert hat, die zeitlichen Abstände rechtfertigten es nicht, auf Erfahrungen vom März 2021 zurückgreifen, hat die Kammer darauf hingewiesen, dass in der Öffentlichkeit die aktuell geplante Versammlung gerade unter Bezugnahme auf die Ereignisse im März 2021 öffentlich beworben werde. Daher sei es rechtlich nicht zu beanstanden, dass auch die Antragsgegnerin darauf abgestellt habe. Weil die Auflösung der Versammlung daher absehbar wäre, dürfe die Versammlungsbehörde diese auch präventiv verbieten.
Gegen den Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zu.
Aktenzeichen: 6 L 1354/21.KS