Verwaltungsgericht Frankfurt am Main

40-tägige Gebetswache

Klage gegen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit vor der pro familia Beratungsstelle in Frankfurt war erfolgreich.

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Nr. 28/2021

Mit heute zugestelltem Urteil hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Main festgestellt, dass die von der Stadt angeordneten örtlichen und zeitlichen Einschränkungen einer Versammlung in der Nähe der Beratungsstelle von pro familia in Frankfurt am Main rechtswidrig waren.

 

Geklagt hatte ein eingetragener Verein, der sich für den Lebensschutz ungeborener Kinder und für Frauen in Schwangerschaftskonfliktsituationen einsetzt. Der Verein hatte im Frühjahr 2020 eine sogenannte 40-tägige Gebetswache täglich von 12:00 Uhr bis 16:00 Uhr auf dem Fußgängerplateau in unmittelbarer Nähe zu der Beratungsstelle pro familia in der Palmengartenstraße angemeldet.

Mit Verfügung der Stadt Frankfurt am Main wurde dem Kläger aufgegeben, sich nur außerhalb der Öffnungszeiten von pro familia an dem gewünschten Ort zu versammeln.
Während der Öffnungszeiten sollte die Versammlung nur in weiterer Entfernung zum Schutz der die Beratungsstelle aufsuchenden Personen auf dem Gehweg Bockenheimer Landstraße/ Ecke Beethovenstraße erlaubt sein. Weiterhin enthielt die Verfügung die Anordnung, dass Personen, die sich erkennbar auf dem Weg zur Beratungsstelle befänden, nicht bedrängt werden dürften. Auch Belästigungen aller Art, wie z.B. das Aufzwingen eines Gesprächs oder die Übergabe von Informationsmaterial und Flyern seien nicht erlaubt.

Die hiergegen erhobene Klage des Vereins gegen die zeitlichen und örtlichen Einschränkungen hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat ausgeführt, dass die zeitlichen und örtlichen Einschränkungen der Versammlung rechtswidrig gewesen seien. Die Zusammenkunft der Teilnehmer falle unzweifelhaft unter das die Versammlungsfreiheit schützende Grundrecht aus Art. 8 Grundgesetz. Dieses sichere den Grundrechtsträgern zu, über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung selbst zu bestimmen. Durch die von der Stadt angeordneten Einschränkungen werde in dieses Recht eingegriffen. Eine Rechtfertigung hierfür konnte das Gericht nicht erkennen. Zum einen werde die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung nicht unmittelbar gefährdet. Durch Ziffer 4 der Verfügung, die im Übrigen auch nicht angegriffen worden ist, könne davon ausgegangen werden, dass es nicht zu einem sogenannten „Spießrutenlauf“ der die Schwangerschaftsberatung aufsuchenden Frauen komme. Das Bestreben der Stadt Frankfurt am Main, den Frauen in der Öffentlichkeit quasi einen Schutzraum einzurichten und damit eine Konfrontation mit Andersdenkenden und anderen Meinungen zu verhindern, rechtfertige keinesfalls eine Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit des Klägers. Diesem stehe das Recht zu, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.

Unter Hinweis auf mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts machte das Gericht auch deutlich, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Frauen, die sich zur Schwangerschaftsberatungsstelle begeben, die Versammlungs- und Meinungsfreiheit der Teilnehmer an der Aktion ebenfalls nicht einschränken könne.

Einen Schutz vor Konfrontation mit anderen Meinungen gäbe es nicht. Selbst die von schwangeren Frauen als Stigmatisierung und Anprangerung empfundene Situation rechtfertige nicht die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es besteht die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung Rechtsmittel an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einzulegen. 
AZ: 5 K 403/21.F

 

 

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