Verwaltungsgericht Wiesbaden

AfD darf vorerst nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden

Nr. 05/2022

Mit Klage und Eilverfahren wendet sich die Partei „Alternative für Deutschland“, Landes-verband Hessen, gegen eine Behandlung als „Verdachtsfall“ durch das Landesamt für Verfassungsschutz. Gleichzeitig wendet sie sich mit weiteren Klagen und Eilverfahren gegen die Berichterstattung hierüber durch den Hessischen Ministerpräsidenten und das Hessische Ministerium des Inneren und für Sport.

Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden hat mit Beschluss vom gestrigen Tag eine sog. Hängeverfügung in dem Eilverfahren gegen das Landesamt für Verfassungsschutz erlassen.

Danach hat es das Landesamt für Verfassungsschutz vorerst zu unterlassen, den hessischen Landesverband der Partei AfD als Verdachtsfall zu beobachten oder zu behandeln. Eine Einstufung als Verdachtsfall ermöglicht eine Informationserhebung mit nachrichtendienstlichen Mitteln (vgl. § 5 HVSG). Diese Hängeverfügung gilt vorerst bis zu einer vorläufigen Entscheidung im Eilverfahren.

Eine solche Zwischenregelung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ohne sie bereits vor der gerichtlichen Eilentscheidung in unumkehrbarer Weise vollendete Tatsachen zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden geschaffen würden. Sie soll den Status quo sichern.

Aufgrund der Eilbedürftigkeit wurde die Hängeverfügung nicht auf der Grundlage der Erfolgsaussichten eines späteren Eil- oder Klageverfahrens getroffen, sondern allein mittels einer sog. Folgenabwägung. Das heißt, in diese Abwägung sind einerseits die Folgen einzustellen, die einträten, wenn die Zwischenregelung nicht ergehen würde und der Eilantrag später Erfolg hätte, die begehrte einstweilige Verfügung also erlassen würde, und andererseits diejenigen Nachteile, die entstünden, wenn eine Zwischenregelung verfügt, der Eilantrag aber abgelehnt würde.

Gegen den Beschluss (6 L 1166/22.WI) kann Beschwerde eingelegt werden, über die der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu entscheiden hat.

Anhang

§ 5 Informationserhebung mit nachrichtendienstlichen Mitteln des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes (HVSG):

(1) Das Landesamt darf Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln erheben.

Für personenbezogene Daten gilt dies nur, wenn

  1. bei der betroffenen Person tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 2 Abs. 2 vorliegen und anzunehmen ist, dass auf diese Weise zusätzliche Erkenntnisse erlangt werden können,
  2.  tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 2 Abs. 2 erforderlichen Quellen gewonnen werden können,
  3. dies zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Informationsquellen des Landesamts gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist oder
  4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit und der Eignung von Vertrauensleuten erforderlich ist.

(2) Nachrichtendienstliche Mittel sind Mittel und Methoden, die mittelbar oder unmittelbar dem von der betroffenen oder außenstehenden Person nicht erkennbaren Erheben von Daten dienen.

Als nachrichtendienstliche Mittel darf das Landesamt einsetzen:

  1. Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs im Sinne des Art. 10 des Grundgesetzes ein-schließlich notwendiger Begleitmaßnahmen nach § 6,
  2. technische Mittel zur Wohnraumüberwachung nach § 7,
  3. technische Mittel zur Ortung von Mobilfunkendgeräten nach § 9,
  4. besondere Auskunftsersuchen nach § 10 zu
    a) den Umständen des Postverkehrs bei Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen oder daran mitwirken,
    b) Telekommunikationsverbindungs- und Teledienstenutzungsdaten bei Unternehmen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste erbringen oder daran mitwirken,
    c) Daten bei Verkehrsunternehmen, Betreibern von Computerreservierungssystemen und globalen Distributionssystemen sowie bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen,
  5. Observation nach § 11,
  6. Verdeckte Mitarbeiterinnen, Verdeckte Mitarbeiter und Vertrauensleute nach den §§ 12 und 13,
  7. verdeckte Ermittlungen und Befragungen,
  8. Ton- und Bildaufzeichnungen außerhalb der Schutzbereiche der Art. 10 und 13 des Grundgesetzes mit und ohne Inanspruchnahme technischer Mittel,
  9. Tarnmittel,
  10. Funkbeobachtungen,
  11. Beobachtung des Internets; dies beinhaltet auch die verdeckte Teilnahme an der im Internet geführten Kommunikation, insbesondere in Foren und elektronischen Kommunikationsplattformen.

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