Am 24. Dezember 2021 wurde bei der Antragstellerin eine PCR-Testung vorgenommen, die den Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 ergab. Das Gesundheitsamt des Antragsgegners (Lahn-Dill-Kreis) erlangte hiervon Kenntnis und übersandte der Antragstellerin eine Bescheinigung, die mit „Genesenennachweis / Recovery Certification SARS-CoV-2 gemäß § 2 Nr. 5 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV)“ überschrieben ist und einen Gültigkeitszeitraum vom 21. Januar bis 24. März 2022 ausweist.
Der Versand der Bescheinigung beruhte auf einer Verwaltungspraxis des Antragsgegners, nach welcher an sämtliche Personen mit Wohnsitz im Gebiet des Antragsgegners, von deren mittels PCR-Test bestätigter SARS-CoV-2-Infektion das Gesundheitsamt Kenntnis erlangte, ohne Antrag automatisch ein solcher Genesenennachweis übersandt wurde. Diese Praxis beendete der Antragsgegner Mitte Januar 2022.
Die Antragstellerin wandte sich am 9. Februar 2022 mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz an das Verwaltungsgericht und begehrte vom Lahn-Dill-Kreis die Neuausstellung eines Genesenennachweises mit einer Gültigkeitsdauer von sechs Monaten. Sie vertrat die Auffassung, die zum 15. Januar 2022 in Kraft getretene Änderung von § 2 Nr. 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung, durch die wegen des neu eingefügten dynamischen Verweises auf die unter der Internetadresse „ www.rki.de/covid-19-genesenennachweisÖffnet sich in einem neuen Fenster“ veröffentlichten Vorgaben des Robert Koch-Instituts die Gültigkeitsdauer des Genesenennachweises derzeit nicht mehr sechs Monate, sondern bereits 90 Tage nach Abnahme des positiven PCR-Tests endet, sei verfassungswidrig.
Der Lahn-Dill-Kreis wandte ein, für eine eigene Entscheidung durch ihn über die Dauer des Genesenenstatus bestehe kein Spielraum. Nicht er, sondern die Bundesrepublik Deutschland sei der richtige Antragsgegner. Denn die Voraussetzungen für den Genesenennachweis ergäben sich aus der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in Verbindung mit den Vorgaben, die das Robert Koch-Institut als Bundesbehörde treffe.
Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat die Antragstellerin im vorliegenden Fall einen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner ihr einen Genesenennachweis mit einer Gültigkeit bis zum 24. Juni 2022 ausstellt. Dieser Anspruch folge aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Der Antragsgegner habe, nachdem die COVID-19-Schutzmaßnamen-Ausnahmenverordnung im Mai 2021 in Kraft getreten sei, ohne hierzu verpflichtet zu sein, in ständiger Verwaltungspraxis jeder im Gebiet des Landkreises wohnhaften Person, von deren positiver PCR-Testung auf das Virus SARS-CoV-2 er Kenntnis erhalten habe, einen Genesenennachweis ausgestellt, der den aus § 2 Nr. 5 SchAusnahmV folgenden Gültigkeitszeitraum enthielt. Diese Praxis habe er erst Mitte Januar 2022 aufgegeben, wobei noch an diejenigen Personen die Genesenennachweise verschickt worden seien, die vor dem 21. Januar 2022 getestet worden waren. Sofern eine Behörde im Rahmen einer ständigen Verwaltungspraxis bei gleichgelagerten Sachverhalten stets in derselben Weise entscheide, verbiete der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG eine willkürliche Abweichung im Einzelfall.
Hinsichtlich des Gültigkeitszeitraums sei jedoch die ursprüngliche Fassung von § 2 Nr. 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und nicht die aktuelle Fassung dieser Vorschrift anzuwenden. Die ursprüngliche Fassung gelte fort, da die zum 15. Januar 2022 in Kraft getretene Neufassung verfassungswidrig und daher nichtig sei. Durch den darin nunmehr enthaltenen Verweis auf die vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse „ www.rki.de/covid-19-genesenennachweisÖffnet sich in einem neuen Fenster“ veröffentlichten Vorgaben, denen der Genesenennachweis entsprechen muss, werde eine Subdelegation an eine nachgeordnete Bundesbehörde vorgenommen, die unzulässig sei, weil sie der an die Bundesregierung gerichteten Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen im Infektionsschutzgesetz nicht mehr entspreche. Zudem liege darin, dass der Genesenenstatus von Vorgaben abhängig sei, die lediglich auf einer Internetseite veröffentlicht würden, deren Inhalt sich ständig ändern könne, ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Verkündung von Rechtsnormen.
Die Entscheidung (Beschluss vom 25. Februar 2022, Az.: 10 L 271/22.GI) ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.