Verwaltungsgericht Frankfurt am Main

AStA muss allgemein politische Äußerungen unterlassen

Aufsichtsrechtliche Verfügung der Goethe-Universität gegen den Allgemeinen Studierendenausschuss (ASTA) weitestgehend bestätigt

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Nr. 09/2021

Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität wendet sich mit der Klage gegen eine Rechtsaufsichtsverfügung der seinerzeitigen Präsidentin der Universität.

Hintergrund der im Juli 2018 erlassenen rechtsaufsichtsrechtlichen Verfügung gegen den AStA ist – neben weiteren beanstandeten Äußerungen und Resolutionen - dessen Aufruf zur Teilnahme an einer am 05.07.2018 geplanten Demonstration „United we stand – unsere Solidarität gegen ihre Repressionen“. Die Demonstration richtete sich gegen Polizeigewalt in Zusammenhang mit Wohnungsdurchsuchungen durch die Hamburger Polizei, die wiederum im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G20-Gipfel standen.

Daraufhin erließ die beklagte Universität die Verfügung, künftig allgemein politische Äußerungen, insbesondere solche Äußerungen, die als Aufruf zur Gewalt gegen Personen oder Sachen verstanden werden können, zu unterlassen. Gleichzeitig drohte sie für den Fall des Zuwiderhandelns ein Ordnungsgeld in Höhe von 4000 Euro an.

In dem sich anschließenden Verwaltungsverfahren wies die Beklagte darauf hin, dass der AStA schon im Jahr 2017 mehrfach allgemein politische Äußerungen getätigt habe, so z.B. zu der Veranstaltung „Raven gegen Polizeiwillkür“ am 08.12.2017 aufgerufen und weiterhin einen Artikel in der Sommerausgabe der AStA-Zeitung im Jahr 2017 zu den allgemein politischen Themen wie Kapitalismuskritik, Klassenkampf, Mobilisierung zu Aktionen gegen rechte Gruppierungen und Möglichkeiten des Arbeitskampfes verfasst habe. Darüber hinaus habe das Studierendenparlament in einer Sitzung im Sommer 2018 eine Resolution zu dem Thema „Der NSU war nicht zu dritt“ beschlossen. Im November 2019 habe die Klägerin eine Resolution „Solidarität mit Rojava“, die sich auf die türkisch-dschihadistische Invasion in Rojava bezieht, beschlossen.

Deshalb sei der AStA mündlich und schriftlich ermahnt und darauf hingewiesen worden, allgemein politische Äußerungen zu unterlassen.

Die für das Hochschulrecht zuständige 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main hat nunmehr in wesentlichen Teilen die Verfügung der damaligen Präsidentin der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität bestätigt.

Bei einer Vielzahl der gerügten Verhaltensweisen habe die staatlich verfasste Studierendenschaft den ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich nach § 77 Abs. 2 des Hessischen Hochschulgesetzes, nämlich die hochschulpolitischen Belange der Studierenden wahrzunehmen und die politische Bildung der Studierenden zu fördern, deutlich überschritten und sich allgemein politisch betätigt.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass insbesondere das Werben für die Demonstration „United we stand – unsere Solidarität gegen ihre Repression“ als auch das Teilen eines Demonstrationsaufrufs gegen Polizeigewalt und Polizeiwillkür auf der Facebook-Seite des AStA gegen die Pflicht verstoße, ausschließlich hochschulbezogene Belange wahrzunehmen. Den Demonstrationsaufruf, der über einen Facebook-Eintrag erfolgte, müsse sich die Klägerin auch zurechnen lassen. Denn von ihr sei dieser Demonstrationsaufruf ausdrücklich befürwortet worden. Eine am Neutralitätsgebot orientierende Berücksichtigung verschiedener Sichtweisen fehle hier vollständig.

Ebenso sei das Werben für die Veranstaltung „Raven gegen Polizeiwillkür“ und die vom Studierendenparlament beschlossene Resolution „Der NSU war nicht zu dritt“ nicht mehr von dem hochschulpolitischen Mandat umfasst.

Auch die von der Rechtsprechung für ein rechtsaufsichtsrechtliches Einschreiten geforderte Wiederholungsgefahr sah das Gericht in dem Verhalten des AStA.

Bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung habe der ASTA nach wie vor mehrfach Themen wie die Protest-Bewegung in Hongkong, rechte Parolen, die Corona-Krise und die Asylpolitik, Forderungen zu den Themen „Fridays for Future“ in Publikationen wie der AStA-Zeitung oder Resolutionsaufrufen abgehandelt. Auch durch Artikel und Beiträge in den AStA-Zeitungen habe die Klägerin gegen das Verbot des allgemein politischen Mandats verstoßen. Artikel wie „Stop talking – Argumente gegen die Meinungsfreiheit“, „Die Corona-Krise und der Schlag gegen das diffuse Ganze“, „An die besorgten Bürger – eure Parolen sind verkehrt“ sowie „Konkrete Solidarität vor allem mit Geflüchteten – AStA und GEW fordern konkrete Maßnahmen statt Symbolpolitik“ seien entgegen der vorgeschriebenen Neutralitätspflicht veröffentlicht worden. Teilweise seien diese Artikel nicht als Fremdbeiträge hinreichend gekennzeichnet, teilweise einseitig in ihrer politischen Zielrichtung ausgesucht. Sie lieferten kein pluralistisches Meinungsbild.

Lediglich eine Resolution des AStA zu der transnationalen Kampagne „BDS“-Boykott (Divestment and Sanctions)“ die sich kritisch mit einer israel-feindlichen Politik auseinandersetzt und in Zusammenhang mit konkreten Forderungen an die Lehre der Hochschule gestellt werde - so wird z.B. ein weiterer Lehrstuhl zum Thema Antisemitismus-Forschung und eine Verankerung dieses Themas in den Studienordnungen der Politik- und Sozialwissenschaften gefordert-, seien von dem hochschulpolitischen Mandat umfasst und nicht zu beanstanden.

Dass die Gefahr weiterer allgemeinpolitischer Äußerungen durch den AStA bestehe, lege auch dessen Pressemitteilung vom 15.02.2021 nahe, weil hier öffentlich bekundet werde, sich auch künftig weiterhin zu allgemein politischen Themen äußern zu wollen.
Das in der Verfügung angedrohte Ordnungsgeld im Falle weiterer Verstöße gegen den hochschulpolitischen Rahmen wurde ebenfalls als rechtmäßig erachtet.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es besteht die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung Rechtsmittel an den Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in Kassel einzulegen.
AZ: 4 K 461/19.F

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