Nr. 08/2024
Mit heute zugestelltem Beschluss hat die für das Rundfunkrecht zuständige 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main dem Eilantrag der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI) auf Ausstrahlung des Wahlwerbespots einer politischen Partei im Hörfunkprogramm „YOU FM“ stattgegeben.
Die Antragstellerin Die PARTEI beantragte beim Hessischen Rundfunk (hr) die Ausstrahlung eines Wahlwerbespots für die anstehende Europawahl im Hörfunkprogramm „YOU FM“. Der Werbespot besteht im Wesentlichen aus einem Auszug aus einem Musikstück einer Sängerin sowie einer Ansage einer Kandidatin der Partei. Der hr lehnte die Ausstrahlung ab, weil gegen Bestimmungen des Jugendschutzes verstoßen werde. In dem Musikstück werde der Geschlechtsakt mit Gewalt verbunden und zum Ausdruck gebracht, dass der Geschlechtsakt nur gegen Bezahlung gewollt sei.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Eilantrag. Sie ist der Auffassung, dass staatliche Stellen nicht das eigene Moralempfinden über die Parteienfreiheit stellen dürften. Das Musikstück sei für Jugendliche frei verfügbar, etwa bei Streaminganbietern. Das in dem Wahlwerbespot genutzte Musikstück setze sich ironisch-zuspitzend mit dem nach wie vorherrschenden Frauenbild auseinander.
Die Kammer hat den Hessischen Rundfunk verpflichtet, den von der Antragstellerin übermittelten Wahlwerbespot am 15. Mai 2024 um 18:10 Uhr im Hörfunkprogramm „YOU FM“ zu senden. Die Intendanten dürften im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung für die Rundfunkanstalten Wahlspots der politischen Parteien nur dann wegen Verstoßes gegen allgemeine Strafgesetze zurückweisen, wenn der Verstoß evident sei und nicht leicht wiege. Zwar sei zuzugeben, dass der Liedtext des von der Antragstellerin verwendeten Ausschnitts durchaus nicht frei von jugendschutzrechtlichen Bedenken sei. Eine im Sinne des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages erforderliche schwere Gefährdung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sei aber nicht mit hinreichender Evidenz anzunehmen. Gerade in Anbetracht der grundgesetzlich verankerten Bedeutung der Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes genüge allein die Verwendung anzüglicher, vulgärer und bewusst provozierender Sprache in dem Lied-Ausschnitt nicht, um eine Ausstrahlung des Wahlwerbespots zu verweigern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs seien in Zweifelsfällen zugunsten der politischen Parteien die vorgelegten Wahlwerbesendungen zur Ausstrahlung freizugeben.
Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingelegt werden.
Aktenzeichen 1 L 1559/24.F
Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag - JMStV)
§ 4 Unzulässige Angebote
(…)
(2) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote ferner unzulässig, wenn sie
(…)
3. offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer zu gefährden. In Telemedien sind Angebote abweichend von Satz 1 zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe).