Nr. 23/2021
Die für das Infektionsschutzrecht zuständige 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main hat mit heutigem Beschluss einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stattgegeben, in dem es um die Frage ging, ob durch eine infektionsschutzrechliche Allgemeinverfügung der örtlichen Gesundheitsbehörde – über die Vorgaben der landesrechtlichen Coronavirus-Schutzverordnung hinausgehend – der Zugang zu Prostitutionsstätten insoweit eingeschränkt werden kann, als ein Polymerase-Chain-Reaction (PCR)-Nachweis geführt werden muss und ein Antigen-Schnelltest nicht mehr genügt.
Nach der Coronavirus-Schutzverordnung (CoSchuV) ist der Betrieb einer Prostitutionsstätte unter anderem davon abhängig, dass Kundinnen und Kunden einen Negativnachweis darüber zu führen haben, dass keine Anhaltspunkte für eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus vorliegen. Über diese Vorgabe hinausgehend hat die örtliche Gesundheitsbehörde durch Allgemeinverfügung angeordnet, dass nicht jeder Negativnachweis genügt, sondern – abgesehen von Impf- und Genesenennachweisen – der Nachweis nur durch einen PCR-Test zu führen ist. Sie stützt sich dabei auf die steigenden Inzidenzzahlen sowie auf die Vorgaben des Präventions- und Eskalationskonzept SARS-CoV-2 des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration. Die Antragstellerin sieht sich hierdurch in ihrer verfassungsrechtlich geschützten Berufsausübungsfreiheit verletzt und ungleich behandelt.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Gericht angeführt, dass die klare Vorgabe der Coronavirus-Schutzverordnung eine abschließende Regelung zu Prostitutionsstätten und ähnlichen Einrichtungen enthält, die gerade nicht unter dem Vorbehalt weitergehender Maßnahmen steht. Die örtliche Gesundheitsbehörde könne sich nicht darauf stützen, dass in § 27 Abs. 2 CoSchuV vorgesehen ist, dass unter Beachtung des Präventions- und Eskalationskonzept SARS-CoV-2 „auch über diese Verordnung hinausgehende Maßnahmen“ angeordnet werden könnten. Denn eine Rechtsverordnung wie die Coronavirus-Schutzverordnung könne nicht unter den Vorbehalt einer Verwaltungsvorschrift wie das Präventions- und Eskalationskonzept SARS-CoV-2 gestellt werden. Sonst würde eine (schon nur von einem Gesetz abgeleitete) legislative Ermächtigung unter einen exekutiven Vorbehalt gestellt. Das sei mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. Der Erlass der Rechtsverordnung hätte den Erlass der Allgemeinverfügung gesperrt. Alles Weitere bleibe dem Abstand- und Hygienekonzept des Prostitutionsstättenbetreibers vorbehalten.
Gegen den Beschluss ist innerhalb von zwei Wochen die Beschwerde an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof möglich.
Az. 5 L 2456/21.F
Für die z. Zt. abwesende Pressesprecherin
Dr. Gerster
Präsident des Verwaltungsgerichts
Coronavirus-Schutzverordnung (CoSchuV)
vom 22. Juni 2021 (GVBl. S. 282),zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 17. August 2021 (GVBl. S. 386):
§ 3 -Negativnachweis
(1) Soweit nach dieser Verordnung der Nachweis zu führen ist, dass keine Anhaltspunkte für eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus vorliegen (Negativnachweis), kann dies erfolgen durch
- einen Impfnachweis im Sinne des § 2 Nr. 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung,
- einen Genesenennachweis im Sinne des § 2 Nr. 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung,
- einen Testnachweis im Sinne des § 2 Nr. 7 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung, der die aus der Anlage 1 ersichtlichen Daten enthält,
- einen Testnachweis aufgrund einer maximal 48 Stunden zurückliegenden Testung mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik),
- den Nachweis der Teilnahme an einer regelmäßigen Testung im Rahmen eines verbindlichen Schutzkonzepts für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende an Schulen und sonstigen Ausbildungseinrichtungen nach § 33 Nr. 3 des Infektionsschutzgesetzes (beispielsweise ein Testheft für Schülerinnen und Schüler mit Eintragungen der Schule oder der Lehrkräfte) oder
- einen Nachweis über die Durchführung eines maximal 24 Stunden zurückliegenden Antigen-Tests auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zur Eigenanwendung durch Laien nach § 13 Abs. 3 für Lehrkräfte und das sonstige Personal an Schulen und sonstigen Ausbildungseinrichtungen nach § 33 Nr. 3 des Infektionsschutzgesetzes, der die aus der Anlage 2 ersichtlichen Daten enthält.
Soweit nach dieser Verordnung ein Negativnachweis zu führen ist, gilt dies nicht für Kinder unter 6 Jahren.
(2) Zur Nachweisführung ist ein Nachweis nach Abs. 1 Satz 1 gemeinsam mit einem amtlichen Ausweispapier im Original vorzulegen.
§ 26 Prostitutionsstätten- und ähnliche Einrichtungen
Der Betrieb einer Prostitutionsstätte im Sinne des § 2 Abs. 4 des Prostituiertenschutzgesetzes vom 21. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2372), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. März 2021 (BGBl. IS. 327), oder einer ähnlichen Einrichtung, die Bereitstellung eines Prostiutionsfahrzeuges im Sinned es § 2 Abs. 5 des Prostituiertenschutzgesetzes, die Durchführung oder Organisation einer Prostitutionsveranstaltung im Sinne des § 2 Abs. 6 Prostituiertenschutzgesetzes, der Betrieb einer Prostitutionsvermittlung im Sinne des § 2 Nr. 7 des Prostituiertenschutzgesetzes sowie die Erbringung sexueller Dienstleistungen mit Körperkontakt im Sinne des § 2 Abs. 1 des Prostituiertenschutzgesetzes ist zulässig, wenn
- nur Kundinnen und Kunden mit Negativnachweis nach § 3 eingelassen werden,
- eine Kontaktdatenerfassung der Kundinnen und Kunden nach § 4 erfolgt,
- die Betreiberinnen und Betreiber oder, sofern solche nicht vorhanden sind, die Prostituierten im Sinne des § 2 Abs. 2 des Prostituiertenschutzgesetzes ein Abstands- und Hygienekonzept nach § 5, das das besondere Infektionsrisiko der angebotenen Dienstleistung berücksichtigt und eine mindestens einmal wöchentliche Testung der Prostituierten, soweit es sich nicht um geimpfte Personen im Sinne des § 2 Nr. 2 und 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung oder genesene Personen im Sinne des § 2 Nr. 4 und 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung handelt, beinhaltet, erstellen und umsetzen.
§ 27 Vollzug
(1) ...
(2) 1Die örtlich zuständigen Behörden bleiben befugt unter Beachtung des „Präventions- und Eskalationskonzepts zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 in Hessen“ (Präventions- und Eskalationskonzept SARS-CoV-2), auch über diese Verordnung hinausgehende Maßnahmen anzuordnen. 2Das Präventions- und Eskalationskonzept SARS-CoV-2 ist auf der Homepage des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration veröffentlicht.