Verwaltungsgericht Frankfurt am Main

Bürgerinitiative „Allianz-pro-Grundgesetz“

Versammlung der Bürgerinitiative „Allianz-pro-Grundgesetz“ darf am 03.07.2021 auf der Müllerwiese in Gelnhausen stattfinden.

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Nr. 20/2021

Mit Beschluss vom 02.07.2021 hat die für das Versammlungsrecht zuständige 5.Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main die Auflage der Stadt Gelnhausen, die Versammlung der Bürgerinitiative auf dem Parkplatz auf der Bleiche und nicht auf der Müllerwiese stattfinden zu lassen, aufgehoben.

Der Antragsteller und Versammlungsleiter hatte zunächst die Versammlung unter dem Motto „Selbstbestimmt in eine lebenswerte Zukunft“ auf der Müllerwiese angemeldet. Die Stadt Gelnhausen verfügte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, dass die Versammlung auf der Versammlungsfläche auf dem Parkplatz Bleiche abzuhalten sei und nicht auf dem ursprünglich geplanten Versammlungsort Müllerwiese stattfinden dürfe.

Zur Begründung wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass an dem gleichen Ort ebenfalls eine mit 500 Teilnehmern angemeldete weitere Veranstaltung stattfinden solle. Aufgrund der Beschränkung durch die Kinzig im Süden stünden lediglich 2 Fußwege östlich und westlich als Fluchtwege und keine ausreichenden Zu- und Abfahrtswege für Rettungskräfte zur Verfügung. Aufgrund des starken Regens sei die Müllerwiese nicht so geeignet, wie der asphaltierte Parkplatz. Darüber hinaus liege die Müllerwiese unmittelbar im Landschaftsschutzgebiet „Auenverbund Kinzig“; eine naturschutzrechtliche Genehmigung sei nicht eingeholt worden. Eine anderweitige Nutzung der Versammlungsfläche wegen der bereits erteilten Sondernutzung für einen Bürgergarten sowie das Hüpfburgenland, das bis zum 18. Juli 2021 mit zahlreichen Parcours, einer Riesenrutsche, Piratenschiffen, Wasserrutschen sowie einer Kinderquadbahn und einem Teich zum Minitretbootfahren werbe, sei bereits gegeben.

Der am 30.06.2021 allein gegen die örtliche Verlagerung der Versammlung eingereichte Eilantrag hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main konnte die Argumentation der Stadt Gelnhausen, mit der die Versammlungsörtlichkeit auf dem Parkplatz „Bleiche“ verlegt werden soll, nicht nachvollziehen. Im Rahmen der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung stellte das Gericht fest, dass die Voraussetzungen für eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit durch § 15 des Versammlungsgesetzes nicht vorlägen. Erforderlich für eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung sei nämlich eine Sachlage, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für andere grundgesetzlich geschützte Interessen führen könnte. Dies habe die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Allein Vermutung, Spekulationen und Mutmaßung im Hinblick auf eine Gefährdung durch die Versammlung seien nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ausreichend, um einen Eingriff in das aus Art.8 Grundgesetz geschützte Recht auf Versammlungsfreiheit zu rechtfertigen.

Soweit sich die Antragsgegnerin darauf stütze, dass es aufgrund der dynamischen Verbreitung der Delta-Variante im Rahmen der Corona-Pandemie nicht möglich sei, zwei Versammlungen zeitgleich mit jeweils 500 angemeldeten Personen auf der Müllerwiese durchzuführen, sei schon nicht erkennbar, um welche weitere Versammlung es sich tatsächlich handele. Auch sei nicht dargelegt, ob nach dem Prioritätsgrundsatz nicht gegebenenfalls die weitere Versammlung Einschränkungen bzw. eine Ortsverlegung hätte hinnehmen müssen. Soweit bekannt finde am 3. Juli2021 die Veranstaltung „Fest für Demokratie und Toleranz“ des Vereins „Hand aufs Herz Gelnhausen“ auf dem Parkplatz Bleiche statt und stehe damit nicht in Konkurrenz zu der Veranstaltung des Antragstellers auf der Müllerwiese. Nicht nachvollziehbar sei es, dass 1000 Teilnehmer beider Versammlungen bei zeitgleicher Durchführung auf der Versammlungsfläche Parkplatz auf der Bleiche, der im Übrigen für 160 Fahrzeuge ausgelegt sei, Dritte besser vor Gefährdungen durch die Corona Pandemie schütze. Das Areal der Müllerwiese erweise sich bei einem groben Vergleich der Fläche als deutlich größer. Es sei auch nicht dargelegt, inwieweit die weitergehende Nutzung der Müllerwiese für den Bürgergarten und das Hüpfburgenland zu der geplanten Versammlung des Antragstellers in Konflikt geraten könnte. Nicht durchschlagend sei auch das Argument der unzureichenden Fluchtwege und Zufahrtsmöglichkeiten für Rettungskräfte bei der geplanten Veranstaltung mit 500 Teilnehmern. Das Gelände sei schon vor Jahren als Festplatz für bunte Volksfeste mit Partys, Livemusik-Veranstaltungen anlässlich der Feierlichkeiten zu dem 40-jähriglen Bestehen des Main-Kinzig-Kreises genutzt worden. Obwohl weitaus mehr Teilnehmer zugegen gewesen seien, hätten hinsichtlich der Fluchtwege und Zufahrtsmöglichkeiten für Rettungskräfte keine Probleme bestanden.

Das Argument der naturschutzrechtlichen Belange verfange ebenfalls nicht. Die Müllerwiese werde als vielfältiger Veranstaltungsort genutzt und habe auch schon im Jahr 2020 ohne Einholung einer naturschutzrechtlichen Genehmigung der Initiative „Allianz-pro-Grundgesetz“ zur Verfügung gestanden.

Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingelegt werden.

Az.: 5 L 1832/21.F

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