Mit zwei Beschlüssen vom heutigen Tage gab das Verwaltungsgericht Gießen den Eilanträgen gegen das Verbot des Eritrea-Festivals statt. Das für kommendes Wochenende geplante Festival darf nach aktuellem Stand entgegen dem städtischen Verbot stattfinden.
Die Stadt Gießen untersagte mit Bescheid vom 28. Juni 2023 dem Verein „Zentralrat der Eritreer in Deutschland“ die Ausübung des vorübergehenden Gaststättengewerbes und verbot die Durchführung der Veranstaltung „Eritrea-Festival 2023“ auf polizeirechtlicher Grundlage. Gegen beide Entscheidungen wandte sich der Verein mit einem Eilantrag.
Die Stadt begründete ihre Entscheidungen im Wesentlichen mit den zunehmenden Aufrufen gegen die geplante Veranstaltung in sozialen Medien und der zu erwartenden Gewaltbereitschaft von Gegnern der Veranstaltung - auch vor dem Hintergrund der Ausschreitungen im August 2022 in Gießen bei einer von dem eritreischen Konsulat in Frankfurt am Main organisierten Veranstaltung. Der Antragsteller habe kein ausreichendes Sicherheitskonzept vorgelegt und sei daher unzuverlässig im Sinne des Gaststättenrechts. Es sei zudem zu befürchten, dass eine mittlere dreistellige Zahl an gewaltbereiten Personen nach Gießen reisen werde, um die Veranstaltung zu stören bzw. zu verhindern. Es sei zu erwarten, dass sich gewaltbereite Personen Zutritt zu der Veranstaltung verschaffen und dort Störungen und Straftaten begehen würden.
Der Antragsteller trug demgegenüber vor, dass Gewaltaufrufe Dritter - wie von der Stadt angeführt - nicht vorab zu einem Verbot der Veranstaltung führen dürften. Zudem stünden die Vorkommnisse im August 2022 nicht im Zusammenhang mit der hier bevorstehenden Veranstaltung. Es würden weder dieselben Künstler noch vergleichbare Redner auftreten.
Die für das Gaststättenrecht zuständige 8. Kammer führte in ihrer Entscheidung aus, dass dem Antragsteller zu Unrecht die Ausübung des vorübergehenden Gaststättengewerbes untersagt worden sei. Für eine gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit des Veranstalters lägen im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Stadt keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Insbesondere habe der Antragsteller bereits am 12. Juni 2023 ein Sicherheitskonzept vorgelegt, welches durch die Stadt erstmals am 26. Juni 2023 beanstandet worden sei.
Auch die polizeirechtliche Verbotsverfügung ist nach Auffassung der 4. Kammer rechtswidrig. Der Veranstalter könne polizeirechtlich nicht in Anspruch genommen werden, weil die befürchtete Gefahrenlage nicht von ihm ausgehe. Bei den befürchteten Ausschreitungen handele es sich um außerhalb des Einflussbereichs des Antragstellers liegende Vorgänge. Die Stadt Gießen habe zudem die Möglichkeit von Maßnahmen unterhalb der Schwelle des Veranstaltungsverbotes, um Sicherheitslücken zu begegnen.
Die Entscheidungen (Beschlüsse vom 5. Juli 2023, Az.: 8 L 1603/23.GI und 4 L 1614/23.GI) sind noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.