Nr. 13/2023
Mit Beschluss der für das Versammlungsrecht zuständigen 5. Kammer des Verwaltungsgerichts in Frankfurt am Main hat diese festgestellt, dass Beschränkungen der oben genannten Kundgebung rechtswidrig sind.
Die Antragstellerin und zugleich Anmelderin hat am 27.11 2023 eine Demonstration mit anschließender Kundgebung zu dem Thema „Frieden in Nahost“ am Samstag, den 02.12.2023 in der Frankfurter Innenstadt in dem Zeitraum von 15 bis 18 Uhr angemeldet. Nach dem durchgeführten Kooperationsgespräch wurden die Route und diverse Auflagen für den Demonstrationszug erlassen, unter anderem heißt es in Ziffern 12 und 11 der Verfügung:
„Die Aussagen „Israel Kindermörder“, „Juden Kindermörder“, „Israel bringt Kinder um“ und „from the river to the sea“ sind in mündlicher und schriftlicher Form untersagt. Die Versammlungsleitung hat Personen, die gröblich gegen diese Beschränkung verstoßen, zum Verlassen der Versammlung aufzufordern.“
Ziffer 11:“ Es ist während der Versammlung untersagt, zur Vernichtung Israels aufzurufen, dem Staat Israel das Existenzrecht abzusprechen, Gleichbedeutendes über andere, dementsprechende Äußerungen auszudrücken oder die israelische Militäroperation als Genozid oder gleichbedeutendes zu bezeichnen. Dies gilt gleichermaßen für mündliche wie für schriftliche Äußerungen.“
Die Antragstellerin hat am 01.12.202 gegen diese Beschränkungen um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die Verfügung nicht verhältnismäßig sei. Die Auflagen seien nicht verhältnismäßig. Die strafrechtliche Relevanz des Slogans „from the river to the sea“ sei umstritten, stelle jedenfalls keine entsprechende unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Sie lehne den Slogan „Juden Kindermörder“ ab und verurteile ihn.
Das Gericht hat in seinem dem Antrag stattgebenden Beschluss ausgeführt, dass die Stadt Frankfurt am Main keine ordnungsgemäße Gefahrenprognose angestellt habe, um eine Gefahrenlage für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu begründen. Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichten nicht aus, um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts zu begründen. Es fehle an konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkten, die die in der Verfügung beschriebenen Äußerungen während der Kundgebung erwarten ließen. Die Tatsache, dass es bei der vorhergehenden Demonstration vom 25.11.2023, die nicht von der Antragstellerin angezeigt und geleitet wurde, vereinzelt zu Straftatbeständen gekommen sein könnte, dürfe nicht ohne konkrete Anhaltspunkte auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden. Aus dem Polizeibericht über den Einsatz am 25.11.2023 gehe nicht hervor, welche Äußerungen konkret getätigt worden seien, die zu einem Eingreifen der Polizei geführt hätten.
Der Slogan „Juden Kindermörder“ habe durchaus eine strafrechtliche Relevanz im Sinn des § 130 Strafgesetzbuch (Volksverhetzung). Von dieser Aussage habe sich die Antragstellerin aber glaubhaft distanziert; die weiteren in der Verfügung benannten Äußerungen müssten in einem entsprechenden Kontext bewertet werden; allein der Verweis auf die Versammlung vom 25.11.2023 reiche hierzu nicht aus.
Sollte es vereinzelt zu strafbarem Verhalten durch die Teilnehmer kommen, so könne die Behörde jederzeit während der Demonstration reagieren, die Straftäter ermitteln und die Kundgebung einschränken.
Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingelegt werden.
Aktenzeichen: 5 L 3868/23