Die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen hat mit Urteil vom heutigen Tag die Sparkasse Wetzlar verpflichtet, für den Bezirksverband Mittelhessen der Partei „Die Heimat“ (ehemals NPD) ein Girokonto auf Guthabenbasis zu eröffnen und zu führen.
Im September 2023 lehnte die Sparkasse Wetzlar den Antrag des Bezirksverbands der Partei „Die Heimat“ auf Eröffnung eines Girokontos ab. Zur Begründung führte die Sparkasse Wetzlar aus, dass sie nach dem Sparkassenrecht nur zur Eröffnung von Konten für natürliche Personen unter Beachtung des Regionalitätsgrundsatzes verpflichtet sei. Ferner bestritt sie die Existenz und Rechtsfähigkeit des klägerischen Bezirksverbands. Zudem begründete sie die Antragsablehnung mit wichtigen Gründen des Einzelfalls, da sich aus einem Verfassungsschutzbericht ergebe, dass die Partei „Die Heimat“ (dort unter dem Namen NPD) als verfassungsfeindlich einzustufen sei.
Hiergegen suchte der Bezirksverband um gerichtlichen Rechtsschutz nach. Er trug vor, dass die Einstufung der Partei als verfassungsfeindlich irrelevant sei, da es sich dabei nicht um ein zulässiges Differenzierungskriterium bezüglich eines Anspruchs auf Kontoeröffnung handele. Zudem habe die Sparkasse Wetzlar auch für Kreisverbände, Stadtverbände und Ortsvereine anderer Parteien Girokonten eröffnet und verhalte sich widersprüchlich, da auch die Fraktion der Partei „Die Heimat“ der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Leun ein Girokonto bei der Sparkasse Wetzlar habe.
Die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen hat dem Klagebegehren stattgegeben. Der Anspruch des klägerischen Bezirksverbands gegen die Sparkasse Wetzlar auf Eröffnung eines Girokontos sei als öffentlich-rechtlich und nicht als privatrechtlich zu qualifizieren, weil die beklagte Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts im Bereich staatlicher Daseinsvorsorge tätig werde und deshalb als Teil der vollziehenden Gewalt einer unmittelbaren Grundrechtsbindung – und damit auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz – unterliege. Da die Sparkasse Wetzlar bereits für Gruppierungen anderer politischer Parteien Girokonten eröffnet und so eine entsprechende Verwaltungspraxis etabliert habe, sei sie als Anstalt des öffentlichen Rechts und unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet, auch dem klägerischen Bezirksverband ein Girokonto einzurichten und zu führen. Die Eröffnung und Führung eines Girokontos sei nicht nur für natürliche Personen Teil des öffentlichen Auftrags der Sparkassen.
Die Sparkasse Wetzlar könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Partei „Die Heimat“ die Nachfolgeorganisation der NPD sei und verfassungsfeindliche Ziele verfolge.Das Bundesverfassungsgericht habe die NPD nicht verboten, obwohl diese Partei mit ihren Zielen die Grundprinzipien missachte, die für den freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat unverzichtbar seien. Für solche als verfassungsfeindlich bezeichnete Parteien komme als Sanktionsmöglichkeit der Ausschluss von der staatlichen Finanzierung in Betracht. Ansonsten bleibe es aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich die 8. Kammer anschließe, im Übrigen bei dem Grundsatz, dass ein darüberhinausgehendes Einschreiten der Exekutive, welches den Bestand einer politischen Partei betreffe, nach derzeitiger Rechtslage ausgeschlossen sei. Dies gelte auch, wenn diese Partei der freiheitlichen demokratischen Grundordnung feindlich gegenübertrete.
Die Entscheidung (Urteil vom 3. November 2025, Az.: 8 K 2257/23.GI) ist noch nicht rechtskräftig. Die Kammer hat die Berufung zugelassen. Die Beteiligten können gegen dieses Urteil binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.