Nr. 26/2021
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2021 hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main einen Anspruch auf Unterlassen des Kirchengeläuts in Usingen-Merzhausen abgelehnt.
Geklagt hatte eine in unmittelbarer Nähe wohnende Nachbarin, die das sonntägliche Glockengeläut um 8.00 Uhr morgens und das weitere ein bis sechsmal im Jahr stattfindende Geläut anlässlich von Musikkonzerten verhindern wollte.
Die 4. Kammer führte in der Urteilsbegründung aus, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung des Glockengeläuts habe. Die Kammer stützte ihre ablehnende Entscheidung im Wesentlichen auf zwei Gesichtspunkte. Zum einen sei festzustellen, dass das Glockengeläut, das sakralen Charakter habe, am Sonntagmorgen für maximal 5-10 Minuten stattfinde. Die Musikveranstaltungen in der Gemeinde wiesen ebenfalls sakralen Charakter auf, da es sich um Darbietung von Kirchenmusik handele und liturgische Elemente, wie etwa ein Gebet, eine Lesung oder die Erteilung eines Segens enthalten seien. Nach dem Regelwerk der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm -, das insbesondere auch dem Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche dient, würden die dort festgelegten Grenzwerte nicht überschritten. Selbst die von der Klägerin durchgeführten Messungen hinsichtlich des Geräuschpegels blieben deutlich unter dem der TA Lärm zu entnehmenden Grenzwert von 90 Dezibel (A).
Zum anderen habe das sonntäglich stattfindende Geläut nach den Ausführungen der betroffenen Kirchengemeinde zwar keinen Bezug zu einem konkreten Gottesdienst, sei aber als sonntägliches „Tagesläuten“ von einem religiösen Hintergrund geprägt. Dies gelte auch für die Musikveranstaltungen, die jeweils sakralen Bezug hätten. Deshalb stelle das Glockengeläut, dass sich im Rahmen des Herkömmlichen halte, keine erhebliche Belästigung dar und sei auch in einer säkularisierten Gesellschaft als eine zumutbare sozialadäquate Einrichtung unter dem Gebot gegenseitiger Toleranz hinzunehmen.
Am Rande wies das Gericht in seiner Entscheidung auch noch darauf hin, dass die Kirche sich seit einem langen historischen Zeitraum im Dorfkern befinde und das Glockengeläut seit 1951 in der Gemeinde aktiv betrieben werde. Die Klägerin hingegen sei erst im Jahr 2001 in die unmittelbare Nähe der Kirche gezogen. Damit habe sie sich als „Lärmbetroffene“ freiwillig in die von ihr nunmehr beanstandete Situation des sonntäglichen Glockengeläuts begeben. Sie habe daher die zuvor bereits bestehende Immissionsproblematik erkennen müssen und es sei von ihr zu erwarten, sich auf diese Situation einzustellen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es besteht die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung Rechtsmittel an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einzulegen.
Az.: 4 K 3268/20.F