Die unter anderem für das Infektionsschutzrecht zuständige 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Darmstadt hat mit Beschluss vom 14. April 2021 dem Eilantrag eines Einwohners der Stadt Riedstadt stattgegeben, mit dem dieser sich gegen die in einer Allgemeinverfügung des Kreises Groß-Gerau angeordneten nächtlichen Ausgangsbeschränkung sowie die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf Verkehrswegen, Plätzen und Flächen in der Stadt Riedstadt gewandt hat.
Zur Begründung führt die Kammer im Wesentlichen aus, es bestünden erhebliche Zweifel, ob der Kreis Groß-Gerau vor Anordnung der nächtlichen Ausgangsbeschränkung alle sonst zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur wirksamen Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus ergriffen habe, wie dies in § 28a Abs. 2 Infektionsschutzgesetz vorgesehen sei (Ausgangsbeschränkung als „ultima ratio“).
Letztlich könne dies jedoch dahinstehen, denn der Antragsgegner sei zum Erlass der streitgegenständlichen nächtlichen Ausgangsbeschränkung deshalb nicht befugt gewesen, weil nach dem „Präventions- und Eskalationskonzept“ der Hessischen Landesregierung (im sogenannten „Ampelsystem“) eine nächtliche Ausgangssperre für die Zeit zwischen 21 Uhr abends und 5 Uhr früh nur dann verhängt werden dürfe, wenn an drei aufeinanderfolgenden Tagen die entsprechende 7-Tage-Inzidenz über 200 pro 100 000 Einwohner gelegen hat. Eine solche Inzidenz sei indessen im Kreis Groß-Gerau weder zum Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung noch während ihrer bisherigen Geltung bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erreicht worden.
Der Kreis Groß-Gerau habe auch keine hinreichenden Ausführungen zu anderen in dem vorgenannten Eskalationskonzept genannten Parametern (bspw. Reproduktionszahl R, Quote der Positivtestungen, Impfstatus der Bevölkerung) im Sinne einer Gesamtabwägung gemacht, durch die die 7-Tage-Inzidenz als wesentlicher Orientierungspunkt in den Hintergrund treten würde. Der Umstand, dass es aktuell Bestrebungen der Bundesregierung gebe, das Infektionsschutzgesetz zu ändern und nächtliche Ausgangsbeschränkungen ab einer Inzidenz > 100 anzuordnen, führe zu keiner anderen Beurteilung, weil es sich hierbei noch nicht um geltendes Recht handele.
Auch die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf bestimmten Verkehrswegen, Plätzen und Flächen in der Stadt Riedstadt erweise sich als rechtswidrig. Bereits die Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung sehe in § 1a eine distanzabhängige Maskenpflicht vor; hiernach sei eine entsprechende Bedeckung nur zu tragen auf stark frequentierten Verkehrswegen, Plätzen und Flächen unter freiem Himmel, sofern dort eine durchgängige Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zu Personen anderer Hausstände nicht sichergestellt werden könne. Zwar sei ein Landkreis grundsätzlich befugt, hierüber hinauszugehen und eine distanzunabhängige Maskenpflicht anzuordnen. Vorliegend habe der Kreis Groß-Gerau jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Voraussetzungen hierfür grundsätzlich täglich zwischen 8 Uhr und 22 Uhr in den jeweiligen Örtlichkeiten der Stadt Riedstadt gegeben seien. Allein das Abstellen auf „Erfahrungen der örtlichen Ordnungsbehörden“ genüge insoweit nicht.
Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingelegt werden.
Die Entscheidung trägt das Aktenzeichen 4 L 662/21.DA.