Verwaltungsgericht Gießen

Keine Übernahme in den Polizeidienst

Klage eines Polizeianwärters auf Übernahme in den Polizeidienst und Ernennung zum Beamten auf Probe bleibt ohne Erfolg.

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Mit Urteil vom heutigen Tage hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen die Klage eines im Jahr 1987 geborenen Polizeianwärters abgewiesen, mit der dieser begehrte, das Land Hessen zu verpflichten, ihn zum Beamten auf Probe im gehobenen Polizeivollzugsdienst zu ernennen.

Der Kläger absolvierte vom 1. September 2016 bis zum 5. Juli 2019 als Beamter auf Widerruf die Ausbildung zum Polizeikommissar an der Hessischen Polizeiakademie. Mit Bescheid vom 23. Oktober 2019 lehnte die Polizeiakademie Hessen den Antrag des Klägers auf Ernennung zum Beamten auf Probe ab, da durchgreifende Zweifel an seiner charakterlichen Eignung bestünden. Hintergrund für diese Entscheidung sei eine Beteiligung des Klägers an einer Chat-Gruppe von Polizeianwärtern, in der u.a. Bilder und Dateien mit rassistischem und menschenverachtendem Inhalt versendet worden seien. Hierüber war in der Presse berichtet worden (vgl. hessenschau.de „Ermittlungen wegen WhatsApp-Gruppe, Polizeianwärter sollen rassistische und antisemitische Bilder geteilt haben“ vom 7. September 2019). Der Kläger selbst hatte am 19. April 2017 außerhalb seiner Dienstzeit ohne Kommentierung eine Bilddatei versendet, die das aus den Großbuchstaben H und K bestehende Firmenlogo von Heckler & Koch in roter Schrift auf schwarzem Hintergrund mit dem Text „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“ in weißer Schrift auf ebenfalls schwarzen Hintergrund abbildet und in der eine Nahaufnahme eines Zielfernrohrs einer Waffe zu sehen ist, welches auf das Gesicht einer männlichen Person mit langem Bart gerichtet ist. Das beklagte Land Hessen vertrat die Auffassung, das von dem Kläger in die Gruppe übersandte Bild sei rassistisch und menschenverachtend, da die dort abgebildete Person aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes offensichtlich muslimischen Glaubens sei und durch das Zusammenspiel aus dem Logo eines Waffenherstellers, der Perspektive einer Zielvorrichtung und der im allgemeinen Sprachgebrauch positiv konnotierten Redewendung „Der Mensch steht im Mittelpunkt“ der Eindruck erweckt werde, dass das Töten von Menschen islamischen Glaubens mittels Schusswaffen legitim sei. Eine Berufung des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe würde zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Polizei in Hessen führen und könnte dem Eindruck Vorschub leisten, die hessische Landespolizei dulde in ihren Reihen eine fremdenfeindliche und menschenverachtende Gesinnung. Die aufgefundenen Dateien könnten nicht als geschmacklose Witze abgetan werden. Es liege ein schwerwiegender Verstoß gegen die Treuepflicht vor. Ein Polizeibeamter habe es im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft zu vermeiden, dass er durch sein außerdienstliches Verhalten in vorhersehbarer und ihm daher zurechenbarer Weise den Anschein setze, sich mit fremdenfeindlichen Gedankengut zu identifizieren oder auch nur zu sympathisieren.

Der Kläger vertrat die Ansicht, das Vorgehen der Polizeiakademie sei pauschal und oberflächlich und weise keinen Bezug zu seiner Person auf. Er sei ein „Bauernopfer“, mit dem sich der Dienstherr aus dem Feuer der Kritik nehmen wolle. Von einer rassistischen oder sonst fremdenfeindlichen Aussage könne in Bezug auf die von ihm übersandte Datei keine Rede sein, vielmehr habe er den Einsatz von Waffen gegen Menschen der Dritten Welt und den darin liegenden Zynismus auf den Punkt bringen und die kriminellen Machenschaften des Waffenherstellers und dessen Waffengeschäfte mit südamerikanischen Diktaturen kritisieren wollen. Durch die Erfahrungen seiner Familie und aufgrund seiner Erziehung sei es für ihn schon früh ein Anliegen gewesen, sich für hilfsbedürftige Menschen einzusetzen. Dies sei auch der Grund gewesen, warum er Polizist habe werden wollen. Andere Länder, die andere Gebräuche, Sitten, Religionen und Spezialitäten pflegten, empfinde er als sehr wertvoll, weswegen er viel reise, um die Menschen und ihre Kultur kennenzulernen. Während seines Erststudiums habe er zudem bei einer Stiftung gearbeitet, die talentierte Zugewanderte auf ihrem Bildungsweg unterstütze und ihnen helfe, in Deutschland Fuß zu fassen.

In der ausführlichen mündlichen Verhandlung hatte der Kläger versucht aufzuzeigen, dass die inkriminierten Bilder z.T. auch andere, nicht menschenverachtende Deutungen zuließen.

Die Kammer hat die Klage abgewiesen. Sie teilt nach der mündlichen Verhandlung die von der Polizeiakademie umfangreich begründete Einschätzung, dass der Kläger durch das unkommentiert eingestellte Bild und die über einen langen Zeitraum ohne ersichtliche Distanzierung gebliebene Teilnahme an dem Gruppenchat berechtigte Zweifel dafür gesetzt hat, dass er nicht die Gewähr dafür bietet, in seinem Dienst unvoreingenommen und ohne Ansehen der Person seine Aufgaben wahrzunehmen.

Die Entscheidung (Urteil vom 04.08.2021, Az.: 5 K 509/20.GI) ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Entscheidungsgründe die Zulassung der Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel beantragen.

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