Mit Urteil vom heutigen Tag hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen eine Klage gegen einen Kostenbescheid für polizeiliche Maßnahmen abgewiesen, die drei Personen betrafen, die sich von einer Brücke über der Autobahn A3 nahe Wiesbaden aus Protestgründen abgeseilt hatten.
Die Klägerin seilte sich am 26. Oktober 2020 gemeinsam mit zwei weiteren Personen an einer Brücke über der Bundesautobahn A3 ab. Sie wurde, ebenso wie die beiden anderen sich an der Brücke abseilenden Personen, von Spezialeinsatzkräften der Polizei von der Brücke entfernt. Für diesen Einsatz macht das Land Hessen Kosten in Höhe von 13.393,90 Euro geltend.
Die Klägerin beruft sich im Wesentlichen darauf, dass es sich bei der „Abseilaktion“ um eine durch das Grundgesetz geschützte Versammlung gehandelt habe. Es habe zu keiner Zeit eine Gefahr für die auf der Autobahn fahrenden Verkehrsteilnehmer bestanden. Die gegen sie gerichteten Maßnahmen seien daher rechtswidrig gewesen.
Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen hat die Klage abgewiesen.
Im Rahmen der mündlichen Begründung seiner Entscheidung führte die Kammer aus, der angegriffene Bescheid sei zwar hinsichtlich der Höhe der darin festgesetzten Kosten rechtswidrig, verletze die Klägerin aber nicht in ihren Rechten. Die Rechtswidrigkeit ergebe sich daraus, dass nicht alle abrechenbaren Kosten des Einsatzes berücksichtigt worden seien, was sich allerdings zu Gunsten der Klägerin auswirke.
Bei den geltend gemachten Kosten handele es sich um Kosten für eine Vollstreckungsmaßnahme. Die Polizei habe bei der Entfernung der Personen von der Brücke unmittelbaren Zwang eingesetzt, um den zuvor gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Platzverweis zu vollstrecken. Für die Rechtmäßigkeit einer solchen Vollstreckungsmaßnahme komme es nicht auf die Rechtmäßigkeit des vollstreckten Verwaltungsaktes, sondern nur auf dessen Vollziehbarkeit an, welche hier gegeben gewesen sei.
Dessen ungeachtet sei der Platzverweis aber auch zu Recht erfolgt. Die in Rede stehende „Abseilaktion“ habe nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit gestanden. Wegen der mit dieser Aktion verbundenen erheblichen Einwirkungen auf den fließenden und sich mit hoher Geschwindigkeit bewegenden Autobahnverkehr hätten die Handlungen der Klägerin eine beachtliche Gefährlichkeit innegehabt, weshalb die Aktion insgesamt nicht mehr als friedlich anzusehen sei. Ferner sei sie an einem nicht dem allgemeinen öffentlichen Verkehr zugänglichen Ort durchgeführt worden, nämlich in dem Luftraum unterhalb einer über die Autobahn führenden Brücke.
Die Entscheidung (Urteil vom 4. März 2022, Az.: 4 K 2855/21.GI) ist noch nicht rechtskräftig. Die Kammer hat die Berufung zugelassen, die die Beteiligten binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Entscheidungsgründe zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen können.