Verwaltungsgericht Frankfurt am Main

Rechtswidrige Pressemitteilung

Eine Pressemitteilung der Stadt Frankfurt bezogen auf eine politische Diskussionsveranstaltung im Jahr 2019 war rechtswidrig.

Nr. 07/2023

Mit Urteil vom heutigen Tag hat die für das Kommunalrecht zuständige 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main eine Pressemitteilung der Stadt Frankfurt vom 11.10.2019, die sie auf ihrer Internetseite „www.frankfurt.de“ veröffentlicht hatte, für rechtswidrig erklärt.

Die Pressemitteilung lautete:

„Inakzeptabel für Frankfurt: Bürgermeister A. fordert Absage des geplanten Sympathisanten-Treffens der antisemitischen Israelhasser

Im Frankfurter TITANIA ist für Dienstag, 15. Oktober 2019, um 19 Uhr die Veranstaltung „Meinungsfreiheit statt Zensur“ angesetzt. Diese bietet eine Plattform für die antisemitische BDS-Bewegung, Bürgermeister A. fordert die Absage dieser Veranstaltung.

„Dass eine Woche nach dem brutalen antisemitischen Anschlag in Halle Sympathisanten judenfeindlicher Israelhasser im Frankfurter TITANIA zusammen kommen wollen, ist völlig inakzeptabel. Dass die Organisatoren C., D., E. und F. hier eine Plattform für die antisemitische BDS-Bewegung bieten wollen, ist eine Schande und zeigt, dass der Israel bezogene Antisemitismus zu viele Helfershelfer in unserem Land hat“, sagt A.

„Die vorgesehenen Redner G. und H. sind nicht nur überzeugte BDS-Unterstützer, sondern besitzen zudem in Person von Herrn H. auch Sympathien für den extremistischen Flügel der Palästinensischen Befreiungsorganisation. Wer diesen Personen eine Bühne bietet, fördert die Judenfeindlichkeit in unserem Land. Wer über Meinungsfreiheit diskutieren will, darf Antisemitismus keinen Vorschub leisten. Antisemitismus ist keine Meinung, sondern eine verbrecherische Haltung. Wer BDS noch immer als friedliche Menschenrechtsbewegung bewertet, verkennt deren wirkliches Ziel der Vernichtung Israels. Wo BDS draufsteht, ist Antisemitismus drin und wer dies unterstützt, verliert die Unterstützung der Stadt Frankfurt. Diese Veranstaltung darf so nicht stattfinden, ich fordere eine umgehende Absage“, sagt Bürgermeister A.“

Nach der daraufhin zunächst erfolgten Kündigung der Räumlichkeiten für die Veranstaltung wurde diese aufgrund einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.10.2019 durchgeführt.

Vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat die in der Pressemitteilung namentlich genannte jüdische Klägerin zunächst auf Unterlassung der Äußerungen auf der Internetseite der Stadt Frankfurt/M. geklagt. Nachdem die Pressemitteilung dort mittlerweile nicht mehr abrufbar ist, hat die Klägerin ihre Klage insoweit auf eine Feststellungsklage umgestellt.

Diese Klage ist erfolgreich. Die Kammer stellte fest, dass der Bürgermeister der Beklagten zwar grundsätzlich die Befugnis habe, sich mit der streitgegenständlichen Erklärung amtlich zu äußern. Es sei anerkannt, dass staatliche Informations- und Öffentlichkeitsarbeit notwendig sei, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Allerdings habe der Bürgermeister gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hätten Amtsträger, die am politischen Diskurs teilnehmen, ihre Äußerungen am Gebot eines rationalen und sachlichen Diskurses auszurichten. Staatliche Amtsträger dürften daher die Ebene argumentativer Auseinandersetzung nicht verlassen und dürften in der öffentlichen Diskussion Vertreter anderer Meinungen weder ausgrenzen noch gezielt diskreditieren, solange deren Positionen nicht die allgemeinen Strafgesetze verletzten. Gemessen daran verstoße die Pressemitteilung insgesamt gegen das Sachlichkeitsgebot, da sie durch ihre Formulierungen die Ebene des sachlichen Diskurses verlasse. Dies äußere sich insbesondere in der Aufforderung zur Absage der Veranstaltung. Da die Klägerin namentlich genannt werde, sei die Pressemitteilung auch geeignet, die Klägerin allein aufgrund ihrer Unterstützung der Bewegung „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) zu diskreditieren.

Daraus folge jedoch nicht, dass der Vorwurf des Antisemitismus als solcher unsachlich sei. Dabei handle es sich um ein Werturteil, dass in Bezug auf die BDS-Bewegung auf sachlichen Erwägungen beruhen könne, wie der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 17.05.2019 zeige.

Soweit sich die Klägerin mit ihrer Klage auch gegen eine etwaige Weisung der Beklagten dahingehend, dass ihr jegliche öffentliche Förderung entzogen werden soll, gewandt hatte, sei die Klage unzulässig.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es besteht die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung Rechtsmittel beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einzulegen.

Az.: 7 K 851/20.F

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