Nr. 9/2022
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat im Wege einer Zwischenentscheidung (sog. Hängebeschluss) vom 11. Mai 2022 dem Land Hessen aufgegeben, die von der Vorhabenträgerin für den Zeitraum ab dem 16. Mai 2022 angekündigten Arbeiten zur Rodung der Wurzelstubben an den Anlagenstandorten im geplanten Windpark Reinhardswald einstweilen zu unterbinden. Der Beschluss wurde den Verfahrensbeteiligten soeben bekanntgegeben.
Zur Begründung hat der 9. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ausgeführt, er sei nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht davon überzeugt, dass das von der Vorhabenträgerin gewählte Schutzkonzept zur Vermeidung baubedingter Tötungen der Haselmaus hinreichend wirksam sei.
Bei der Haselmaus handelt es sich um eine nach der FFH-Richtlinie streng geschützte Art. Eine von der Vorhabenträgerin veranlasste Begutachtung hatte 2015 ergeben, dass die Haselmaus im Reinhardswald unter anderem an einzelnen Anlagenstandorten vorkommt. Das Regierungspräsidium Kassel nahm deshalb in den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid für die Errichtung und den Betrieb von 18 Windenergieanlagen im Reinhardswald verschiedene Nebenbestimmungen zum Schutz der Haselmaus auf, die auf eine (passive) Vergrämung der Tiere von den Bauflächen nach deren Erwachen aus dem Winterschlaf abzielen.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat diese Nebenbestimmungen in dem vorliegenden Eilverfahren eines anerkannten Umweltverbandes einer vorläufigen Prüfung anhand aktueller fachwissenschaftlicher Erkenntnisse unterzogen. Danach bedürfe es für eine wirksame Vergrämung der Haselmaus von den Bauflächen geeigneter Maßnahmen zur Habitataufwertung im unmittelbaren Umfeld der Windenergieanlagen. Derartige Maßnahmen (z.B. Strauchanpflanzungen) seien regelmäßig vor der Rodung der Wurzelstubben zu ergreifen, um die Haselmaus von den durch Fällung unattraktiv gewordenen Bauflächen in die angrenzenden Waldbereiche wegzulocken. Das den Nebenbestimmungen zugrundeliegende Schutzkonzept der Vorhabenträgerin sehe dagegen eine Habitataufwertung des näheren Anlagenumfelds nicht vor.
Der Beschluss ist im verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug nicht anfechtbar.
Aktenzeichen: 9 B 234/22.T