Verwaltungsgericht Frankfurt am Main

Verbot der Versammlung „Ein Freies Palästina“ hält gerichtlicher Prüfung nicht stand

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Nr. 10/2023

Mit Beschluss der für das Versammlungsrecht zuständigen 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main wurde das Verbot der Versammlung am 14.10.2023 auf dem Opernplatz in Frankfurt am Main zu dem Thema „Ein freies Palästina“ für rechtswidrig erklärt.

Die Antragstellerin, zugleich Anmelderin der pro-palästinensischen Versammlung, hat am 13.10.2023 gegen die Verbotsverfügung der Stadt vom 12.10.2023 erfolgreich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

Die Stadt hatte zuvor die Versammlung verboten. Durch die Terroranschläge der Hamas am 07.10.2023 in Israel seien zahlreiche Menschen, insbesondere Zivilisten, ermordet worden.

Daraufhin habe es pro-palästinensische Kundgebungen in Berlin und anderen Städten in Deutschland gegeben, die diese Taten bejubelten und damit eindeutig die Terrororganisation der Hamas und ihre Morde verherrlichten. Die hiesige Anmelderin habe auch die Anmeldung der Demonstration in Berlin-Neukölln zu verantworten. Es stehe daher zu befürchten, dass es auch bei der hier angezeigten Demonstration zu einem ähnlichen Geschehensablauf kommen könnte. Straftaten, wie Volksverhetzung, Billigung von Straftaten und die öffentliche Aufforderung zu Straftaten seien zu befürchten. Auch seien israelfeindliche und antisemitische Äußerungen zu erwarten. Darüber hinaus würde das Existenzrecht Israels in Frage gestellt. Die Anmelderin halte die durchgeführten Terrortaten der Hamas für den legalen Widerstand der Palästinenser gegen Israel. Es sei davon auszugehen, dass derartige Äußerungen  auch auf der Veranstaltung am Samstag fallen würden.

Das Gericht führt in seinem Beschluss demgegenüber aus, dass im Rahmen der allein möglichen summarischen Prüfung in dem vorliegenden Eilverfahren die Verbotsverfügung offensichtlich rechtswidrig sei.

Die Kammer äußert zunächst verfassungsrechtliche Bedenken an dem hier einschlägigen Hessischen Versammlungsfreiheitsgesetz (HVersFG). Denn die  Verfassung des Landes Hessen lasse im Hinblick auf die Versammlungsfreiheit (Art. 14 HV) keine Beschränkungen durch ein Gesetz sondern nur durch kollidierendes Verfassungsrecht zu.

Doch unabhängig von diesen Bedenken seien die Einschränkungsmöglichkeiten nach dem HVersFG tatbestandlich nicht erfüllt.

Ein Versammlungsverbot als schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit könne nicht auf die Norm des § 14 Abs. 2 S.1 Alt.1 des HVersFG gestützt werden. Danach kann eine Versammlung nur dann verboten werden, wenn nach den erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet ist. Bei dieser Prognoseentscheidung seien strenge Maßstäbe anzulegen, Verdachtsmomente reichten nicht aus. Daher könne ein Verbot nur ultima ratio gegenüber weniger einschneidenden Maßnahmen, wie Beschränkungen der Versammlung sein. Allein das Vorverhalten der Anmelderin und möglicher Teilnehmer an den Versammlungen in Berlin und Duisburg reiche für die Begründung des Verbots nicht aus, ebenso wie die Ankündigungen im Internet und die Pressauftritte der Anmelderin im Vorfeld –ungeachtet der möglichen strafrechtlichen Relevanz dieser Äußerungen und Gegebenheiten. Auch der Hinweis auf die hohe Emotionalität und Belastung der Gesellschaft durch den Nahostkonflikt könne zu keiner anderen rechtlichen Bewertung führen.

Sollte es während der Durchführung der Versammlung zu möglichen Straftatbeständen und Gefährdungen Dritter kommen, so könne die zuständige Behörde hierauf jederzeit reagieren.

Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingelegt werden.

Aktenzeichen: 5 L 3216/23

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