Verwaltungsgericht Gießen

Verwaltungsgericht stoppt Sicherungsauflagen

Eilanträge gegen Verpflichtung zu Sicherungsmaßnahmen an Steinbruchwand im Landkreis Gießen erfolgreich

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen hat mit Beschluss vom gestrigen Tag den Eilanträgen zweier Antragsteller stattgegeben, mit welchen diese sich gegen die Inanspruchnahme zu Sicherungsmaßnahmen an einer Abbruchkante eines alten Steinbruchs durch die Stadt Gießen wendeten.

Die Antragsteller sind als sog. Liquidatoren mit der Abwicklung einer Gesellschaft betraut. Diese Gesellschaft war ihrerseits Gesellschafterin eines Unternehmens, in dessen Eigentum ursprünglich sowohl das streitgegenständliche Grundstück als auch daran angrenzende Grundstücke standen. Letztere wurden nach dem Verkauf durch das Unternehmen mit Wohnhäusern bebaut, während das Steinbruchgrundstück bis zur Aufgabe des Eigentums im Dezember 2023 weiterhin in dessen Eigentum verblieb.

Nachdem die Stadt Gießen die Gefahr von jederzeitigen Steinschlägen und Felsabbrüchen von der Steinbruchwand auf angrenzende Grundstücke festgestellt hatte, gab sie den Antragstellern im Juli 2025 Sicherungsmaßnahmen wie etwa den Einbau rückvernagelter Steinschlagschutznetze auf. Zur Begründung führte die Stadt Gießen im Wesentlichen aus, dass die Gefahr der Verletzung von Leib, Leben und Eigentum bestehe. Die Antragsteller seien als Vertreter des Unternehmens, in dessen Eigentum das Grundstück ehemals gestanden habe, zutreffende Adressaten der Anordnung, woran auch die - aus Sicht der Stadt Gießen rechtsmissbräuchliche - Eigentumsaufgabe im Dezember 2023 nichts geändert habe. Überdies ergebe sich eine Verantwortlichkeit daraus, dass für die Antragsteller als Gesellschafter und Liquidatoren sowohl im Außenverhältnis wie auch im gesellschaftlichen Innenverhältnis Handlungspflichten zu Sicherungsmaßnahmen bestanden hätten.

Hiergegen haben die Antragsteller um gerichtlichen Eilrechtschutz nachgesucht. Sie machen geltend, weder jemals selbst Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks noch Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft (gewesen) zu sein. Auch treffe die Antragsteller keine über ihre Aufgabe als Liquidatoren hinausgehende Handlungspflicht.

Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die durch die Stadt Gießen erfolgte Inanspruchnahme der Antragsteller rechtswidrig sei. Zwar sei es nicht zu beanstanden, dass weder die Gesellschaft, deren Liquidatoren die Antragsteller seien, noch das Unternehmen, in dessen Eigentum das streitgegenständliche Grundstück vormals gestanden habe, adressiert worden seien, da diese mangels Vermögensmasse nicht zur schnellen und wirksamen Beseitigung der Gefahr befähigt seien. Auch die Eigentümer und Bewohner der gefährdeten Grundstücke dürften grundsätzlich nicht als verantwortlich angesehen werden, da sie weder die tatsächliche Gewalt über das Steinbruchgrundstück ausüben würden noch kausal zur Felssturz- oder Steinschlaggefahr beigetragen hätten. Eine Inanspruchnahme der Antragsteller sei jedoch ebenfalls nicht zulässig, da diese weder die tatsächliche Sachherrschaft innehätten noch ein „Durchgriff“ auf die Personen der Antragsteller möglich sei. Letzteres widerspreche dem im Gesellschaftsrecht für das Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschaftern verankerten Trennungsprinzip. Die für eine ausnahmsweise Durchbrechung dieses Trennungsprinzips erforderliche bewusste Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit zwischen einer juristischen Person und der hinter ihr stehenden natürlichen Person sei im vorliegenden Fall nicht hinreichend erkennbar.    

Die Entscheidung (Beschluss vom 29. September 2025, Az.: 1 L 4580/25.GI) ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.

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