Verwaltungsgericht Gießen

Vom Gießener Verkehrsversuch bis zu einer Reifenpanne

Jahresrückblick am Verwaltungsgericht

Die vielfältigen Entscheidungen und Verfahren zeigten die zentrale Rolle der Verwaltungsgerichte „als Herzkammer unseres Rechtsstaats“, erklärte der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Gießen Helmut Schmidt beim heutigen Jahrespressegespräch. An dem zweitgrößten Verwaltungsgericht in Hessen sind aktuell in zehn Kammern 34 Richterinnen und Richter sowie weitere 40 Beschäftigte tätig.

Verfahren - Rückblick

Welche Bandbreite an alltäglichen Themen und Problemen ein Verwaltungsgericht beschäftige, sehe man am besten, wenn man auf die Entscheidungen schaue, so Pressesprecherin Melina Hofmann.

Im Jahr 2023 sei insbesondere das Eilverfahren betreffend den geplanten Gießener Verkehrsversuch auf dem Anlagenring hervorzuheben. Dem folgte ein versammlungsrechtliches Verfahren gegen die örtliche Verlegung des Protestcamps von Befürwortern des Verkehrsversuchs, welches über mehrere Wochen am Ende der Landgrafenstraße positioniert war.

Die große Palette der Verfahren reichte im vergangenen Jahr von einer beantragten Haft für eine nicht geschnittene Hecke im Vogelsbergkreis, über die Einordnung von CBD-Ölen als Arzneimittel bis hin zu einem Gehwegausbau in Hungen, der die Nutzung einer Garage auf einem Privatgrundstück unmöglich machte.

Für die spontane Hilfe bei einer Reifenpanne erhob die Stadt Kirtorf Feuerwehrgebühren. Dieser Bescheid wurde im Eilverfahren erfolgreich angegriffen. Das dazugehörige Klageverfahren wird in diesem Jahr verhandelt.

Das Eritrea-Festival in Gießen war letztes Jahr erneut Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen - nunmehr gegen ein von der Stadt wenige Tage vor der geplanten Veranstaltung ausgesprochenes Verbot. Im Jahr zuvor hatten Gegner der Veranstaltung versucht, ein gerichtliches Verbot zu erwirken.

Ein Ausschluss aus der AfD-Fraktion im Wetterauer Kreistag aufgrund einer Teilnahme an einem Netzwerktreffen der „Deutschen Stimme“ (Parteizeitung der NPD, jetzt Die Heimat) wurde gerichtlich bestätigt.

Im Tierschutzrecht hatte das Gericht ein Haltungs- und Betreuungsverbot einer Hundehalterin aus dem Landkreis Gießen zu überprüfen, die in ihrer etwa 70 qm großen Wohnung 20 Hunde hielt, die nur teilweise in den Garten gelassen und nicht regelmäßig ausgeführt wurden.

Die Klage gegen die geplante Ansiedlung eines großflächigen Möbelhauses in Bad Vilbel wurde abgewiesen und die weitere Planung dieses Vorhabens ermöglicht.

Organisatorisches - Rückblick

Die Einführung der elektronischen Akte im Jahr 2023 habe die Arbeitsabläufe am Gericht „radikal verändert“, berichtete Schmidt. Seit dem 1. August 2023 werden am Verwaltungsgericht Gießen neu eingehende Verfahren ausschließlich elektronisch angelegt und bearbeitet. Alle zuvor eingegangenen Akten werden zwar weiterhin in Papierform fortgeführt, dort ermöglicht aber eine nahezu vollständige elektronische Kopie der Akte ebenfalls bereits eine elektronische Arbeit. In der Einführungsphase sei es natürlich zu Problemen, Einarbeitungsschwierigkeiten und auch Systemabstürzen gekommen, erinnerte sich Schmidt. Insgesamt zog er jedoch eine positive Bilanz: „Die Möglichkeit des gleichzeitigen Arbeitens an der eAkte beschleunigt den Verfahrensablauf immens und das finde ich sehr erfreulich.“

Ausblick

Seit dem 1. Januar 2024 ist das Verwaltungsgericht Gießen in Hessen zentral für Asylverfahren zuständig mit Ausnahme von Antragstellern aus Afghanistan, Äthiopien, Eritrea, Irak, Iran, Pakistan, Russische Föderation, Somalia, Syrien und Türkei. Bei diesen zehn Staaten handelt es sich um diejenigen mit den meisten Asylanträgen. Dennoch rechnet das Gericht mit einem deutlichen Anstieg an Verfahren aus dem Asylrecht.

Die Verfahrenslaufzeit in Asylverfahren war am Verwaltungsgericht Gießen in den letzten zwei Jahren rückläufig. In dem Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 30. September 2023 lag die durchschnittliche Verfahrensdauer bei Asyl-Klageverfahren bei 20,66 Monaten und damit deutlich unter dem hessenweiten Durchschnitt. „Dies ist vor allem unseren Kolleginnen und Kollegen zu verdanken, die sehr tatkräftig anpacken“, lobte Schmidt.

Schlagworte zum Thema