Magistrat der Stadt Braunfels darf vorläufig Pacht- oder Nutzungsverträge für Windkraftanlagen im Braunfelser Wald nur unter der Maßgabe unterzeichnen, dass der Vertrag ein Rücktrittsrecht für den Fall eines erfolgreichen Bürgerbegehrens enthält.
Mit Beschluss vom gestrigen Tage hat die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen der Stadt Braunfels aufgegeben, vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des am 27. März 2025 eingereichten Bürgerbegehrens „Erhaltet den Braunfelser Wald“ Pacht- oder Nutzungsverträge für Windkraftanlagen im Braunfelser Wald nur unter der Maßgabe zu unterzeichnen, dass der Vertrag ein Rücktrittsrecht zu Gunsten der Stadt Braunfels für den Fall eines erfolgreichen Bürgerbegehrens enthält.
Nachdem die Stadtverordnetenversammlung mit Beschluss vom 30. Januar 2025 den Magistrat beauftragt hatte, mit einem privaten Vertragspartner einen Nutzungsvertrag über die Installation von Windkraftanlagen in Teilflächen des Braunfelser Waldes abzuschließen, wurde das Bürgerbegehren „Erhaltet den Braunfelser Wald“ initiiert. Dieses Bürgerbegehren strebt einen Bürgerentscheid an, mit dem der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Braunfels vom 30. Januar 2025 aufgehoben und die Errichtung von Windenergieanlagen im kommunalen Wald der Stadt Braunfels in Zukunft verhindert werden soll.
Die Antragstellerin beantragte bereits im März dieses Jahres zunächst erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Gießen, der Stadt Braunfels aufzugeben, vor einer rechtskräftiger Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens keine Pacht- oder Nutzungsverträge für Windkraftanlagen unterzeichnen zu dürfen (Beschluss vom 16. April 2025, Az. 8 L 1632/25.GI, vgl. hierzu die PressemitteilungÖffnet sich in einem neuen Fenster des Gerichts vom 17. April 2025).
Auf die Beschwerde der Stadt Braunfels änderte der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Juni 2025 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung ab und lehnte den Antrag der Antragstellerin ab (Az. 8 B 787/25). Der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs führte zur Begründung aus, die Gefahr einer endgültigen Rechtsvereitelung sei durch ein einseitiges Rücktrittsrecht der Stadt Braunfels gebannt.
Der am 27. August 2025 eingereichte Eilantrag der Antragstellerin, über den nun entschieden wurde, war erneut darauf gerichtet, dass bis zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens keine Pacht- oder Nutzungsverträge abgeschlossen werden. Diesen begründete sie im Wesentlichen damit, dass bis kurz vor dem avisierten Termin über die Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durch die Stadtverordnetenversammlung kein einseitiges Rücktrittsrecht zu Gunsten der Stadt Braunfels in den geplanten Vertrag aufgenommen worden sei und daher die Vereitelung ihrer Rechte drohe.
Die Stadt Braunfels trug zur Erwiderung im Wesentlichen vor, dass der Antrag bereits unzulässig sei, da über denselben Streitgegenstand bereits rechtskräftig entschieden worden sei. Das Bürgerbegehren sei auch offensichtlich unzulässig, da es an einem wirksamen Kostendeckungsvorschlag fehle. Schließlich hänge die wirksame Vereinbarung eines Rücktrittsrechts von der Zustimmung des Vertragspartners ab und sie selbst habe keinen Einfluss darauf.
Dem ist die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen nicht gefolgt. Da kein Rücktrittsrecht in den Pachtvertrag aufgenommen worden sei, liege ein neuer Sachverhalt vor, sodass ein weiterer Eilantrag zulässig sei. Nach Ansicht der Kammer sei das am 27. März 2025 eingereichte Bürgerbegehren mit 2.203 Unterstützungsunterschriften zumindest nicht offensichtlich unzulässig. Ob das Bürgerbegehren tatsächlich zulässig sei, obliege der Prüfung der Stadtverordnetenversammlung, die insoweit den „ersten Zugriff“ habe. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens bestehe aber ein Anspruch der Antragstellerin als Mitunterzeichnerin des Bürgerbegehrens, dieses nicht durch die Schaffung von Tatsachen obsolet werden zu lassen. Insoweit komme der in der Hessischen Gemeindeordnung normierte Teilhabeanspruch an der kommunalen Willensbildung zum Ausdruck. Die Stadt Braunfels werde daher verpflichtet, im Falle eines Vertragsabschlusses ein Rücktrittsrecht zu ihren Gunsten aufzunehmen.
Die Entscheidung (Beschluss vom 1. Oktober 2025, Az.: 8 L 4903/25.GI) ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.