Nr. 17/2022
Aufgrund eines internen Übermittlungsfehlers hat die Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt/M. über die festgesetzte Zulassungszahl von 381 Plätzen für Studienanfängerinnen und Studienanfängern für den zulassungsbeschränkten Studiengang Humanmedizin zum Wintersemester 2022/2023 weitere 251 Bewerber zu diesem Studiengang zugelassen. Nachdem dies bemerkt worden war, hat sie einen Tag später gegenüber den Antragstellern die Zulassung zum Studiengang Medizin zurückgenommen und die sofortige Vollziehung dieser Bescheide angeordnet.
Hiergegen haben die Antragsteller Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.
Unmittelbar nach Auftreten des Fehlers hat sich die Universität um eine Korrektur bemüht. Zusammen mit der Stiftung für Hochschulzulassung, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, der Kultusminister-Konferenz sowie aller medizinführenden Universitäten in Deutschland hat man intensiv an einer Lösung für dieses Problem gearbeitet. Die über die Zulassungszahl hinaus zugelassenen Studienanfänger hat man in zwei Gruppen unterteilt: die sogenannte Angebotsgruppe – die Studienanfänger aus dieser Gruppe hatten bereits Zusagen für einen Studiengang, die allerdings in dem Moment wegfielen, als sie die Zusage der Goethe Universität erhalten hatten und die Chancengruppe - die Studienanfänger hatten die Möglichkeit im Nachrückverfahren den begehrten Studienplatz zu erhalten. 39 Studienbewerber aus der sogenannten Chancengruppe wurden noch zum Studium der Humanmedizin in Frankfurt/M. zugelassen.
Sechs Studienanfänger aus der sogenannten Angebotsgruppe haben um verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht.
Sie hatten ein Studienplatzangebot bereits erhalten, allerdings nicht für den Studiengang Humanmedizin sondern in den Studiengängen Zahnmedizin, Pharmaceutical Sciences oder Biowissenschaften. Sie sind der Auffassung, dass die ihnen gegenüber ergangenen Rücknahmebescheide rechtswidrig seien.
Die für das Hochschulzulassungsrecht zuständige 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 16. November 2022 festgestellt, dass die Antragsteller im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen Überprüfung wohl einen Anspruch auf die Zulassung zum Studium der Humanmedizin in Frankfurt/M. haben.
Das Gericht führt aus, dass die angegriffenen Bescheide sich in der Hauptsache als rechtswidrig erweisen könnten, weil die Johann Wolfgang Goethe-Universität bereits zu Beginn des Wintersemesters im ersten Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin 405 Studierende zugelassen hat. Nach Überzeugung des Gerichts liegt diese deutliche Überschreitung der Zulassungszahlen darin begründet, dass die Universität 39 Bewerber aus der Chancengruppe über die festgesetzten Zulassungszahlen hinaus immatrikuliert hat. Die insoweit deutlich überschrittene Zulassungszahl für den Studiengang zeige deutlich, dass mit der Erschöpfung der festgesetzten Kapazität (von zunächst 381 Plätzen) wohl die Leistungs- und Funktionsfähigkeit der Hochschule in diesem Studiengang noch nicht erreicht war. Von der Antragsgegnerin sei zu erwarten, dass die Hochschule im Rahmen einer Ermessensprüfung lediglich die entsprechende Zahl von Studienplätzen zurücknimmt, die tatsächlich zu einer Erschöpfung der festgesetzten Kapazitäten und somit zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit führen könne. Jedenfalls sei eine Rücknahme aller Zulassungsbescheide rechtswidrig.
Das Gericht ist bei der Bestimmung der Grenze, ab wann die Funktionsfähigkeit des Studiengangs Humanmedizin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität ernstlich gefährdet wäre, von einem Wert von 10 % bezogen auf die Zulassungszahl ausgegangen. Zur Begründung führt es aus, dass der festgesetzte Wert der Zulassungszahl durch die 405 immatrikulierten Studierenden im Fachbereich Medizin im 1. Semester bereits um 6,30 % überschritten wurde. Weiterhin weist es darauf hin, dass bereits im Wintersemester 2013/2014 erheblich gravierendere Folgen eines Überbuchungsfehlers hervorgetreten seien, die die Antragsgegnerin offensichtlich bewältigen konnte. Ausgehend von einem 10 %igen Aufschlag auf die Zulassungszahl von 381 Studienplätzen könne die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität insoweit die Immatrikulation von 419 Studierenden verkraften. Da derzeit lediglich 403 Studierende in dem Studiengang eingeschrieben seien (405 abzgl. zwei beurlaubte Studierende), stünden für die hier um Eilrechtsschutz nachsuchenden sechs Antragsteller ausreichende Studienplätze zur Verfügung. Aus diesem Grund wurde die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegen die Rücknahmebescheide angeordnet.
Gegen den Beschluss kann innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingelegt werden.
Aktenzeichen: 3 L 2316/22.FM.W22