Verwaltungsgerichtshof Kassel

Bebauungsplan „Garbenteich-Ost“ der Stadt Pohlheim vorläufig außer Vollzug gesetzt

Lesedauer:4 Minuten

Nr. 12/2022

Mit Beschluss vom 4. Oktober 2022 hat der 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs den Bebauungsplan „Garbenteich-Ost“ der Stadt Pohlheim vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt. Damit hat der Senat einem Antrag des NABU Landesverband Hessen e.V. auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entsprochen und seinen anderslautenden Beschluss vom 7. Juni 2022 abgeändert.

Der Bebauungsplan „Garbenteich Ost“ wurde am 16. September 2021 von der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Pohlheim beschlossen. Der Geltungsbereich umfasst eine Fläche von zirka 30 Hektar, wovon zirka 12 Hektar auf ein geplantes Industriegebiet, 6,4 Hektar auf ein Gewerbegebiet und zirka 4,1 Hektar auf ein Mischgebiet entfallen sollen. Die überplanten Flächen wurden bislang überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Des Weiteren liegen bestehende Straßen und Wege mit angrenzenden Böschungen im Plangebiet. Als Angebotsbebauungsplan soll er die Ansiedelung verschiedener Gewerbe- und Industriebetriebe in Pohlheim ermöglichen.

Hiergegen hat der NABU einen Antrag auf Normenkontrolle gemäß § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung gestellt; das Verfahren ist beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof derzeit anhängig (Aktenzeichen: 3 C 354/22.N). Der Antragsteller macht zur Begründung Verstöße gegen artenschutzrechtliche Zugriffsverbote im Zuge der Umsetzung des Bebauungsplans geltend.

Der zusätzlich gestellte Eilantrag des NABU blieb zunächst ohne Erfolg. Mit Beschluss vom 7. Juni 2022 hat der Senat diesen Antrag unter anderem mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass die Planung auf unüberwindbare artenschutzrechtliche Hindernisse stoßen werde.  

Im Abänderungsverfahren hat der NABU nunmehr im Wesentlichen geltend gemacht, der Umweltbericht zum Bebauungsplan gehe hinsichtlich der im Plangebiet regelmäßig brütenden Feldlerchen von zu niedrigen Zahlen aus und dies mit späteren eigenen Zählungen sowie weiteren Zählungen durch einen unabhängigen Sachverständigen belegt, aufgrund derer das Plangebiet als potentieller Lebensraum der Feldlerche wesentlich hochwertiger einzuschätzen sei.

Während der Antragsteller seine bisherige Behauptung, im Plangebiet seien im Jahr 2021 durch eins seiner Mitglieder 28 Brutpaare der Feldlerche gesichtet worden, durch nicht ausreichende Unterlagen belegen wollte, hat er nunmehr durch eine beruflich als Gutachter für avifaunistische Fachfragen tätige Person gefertigte Kartierungen vorgelegt, die im Plangebiet 17 bzw. 25 Feldlerchenreviere statt der von der Stadt Pohlheim angenommen 7 Feldlerchenpaare anzeigen. Zudem wurden weitere Exemplare dieser streng geschützten Art in unmittelbarer Nähe des Plangebiets festgestellt. Dieser Befund spricht dafür, dass die Habitateignung des Plangebiets für die Feldlerche aufgrund der dortigen naturräumlichen Gegebenheiten höher einzuschätzen ist, als im Umweltbericht angenommen, was zwangsläufig Einfluss auf den Umfang der vorzusehenden Ausgleichsmaßnahmen hat.

Die von der Antragsgegnerin vorgehaltenen Ausgleichsflächen weisen zudem teilweise wegen zu geringer Abstände zu Straßen und Wäldern keine geeigneten Lebensbedingungen für die Feldlerche auf und sind daher als Ausgleichsmaßnahme nur bedingt geeignet. Aufgrund dessen bestehen erhebliche Zweifel daran, ob die im Bebauungsplan vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen den eintretenden Verlust des Lebensraums ausgleichen können.

Im Wege einer Folgenabwägung hat der Senat den irreversiblen Folgen eines möglichen Verstoßes gegen artenschutzrechtliche Verbotstatbestände ein höheres Gewicht gegenüber den Interessen an dem Vollzug des Bebauungsplans beigemessen.

Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 3 B 357/22.N

Schlagworte zum Thema